Berichte 2017

Auf dem Weg zu einem Impfstoff gegen HIV-1

Auf eine HIV-1-Infektion reagieren Menschen verschieden. Bei wenigen entwickelt das Immunsystem Antikörper gegen verschiedene Virusvarianten. Ein vielversprechender Ansatz für eine Impfung gegen HIV-1.

Wenige Menschen, die mit HIV-1 infiziert sind, entwickeln als Reaktion ihres Immunsystems auf die Infektion sogenannte breit neutralisierende Antikörper (bnAb). Den bnAb gelingt es, verschiedenste Virusvarianten zu hemmen (neutralisieren), indem sie sich an bestimmte, konservierte Strukturen des HIV-1 Hüllproteins (Antigene) an der Virusoberfläche binden; also an Strukturen, die sich kaum ändern, auch wenn der Erreger selbst mutiert. Das Hüllprotein von HIV-1 ist sehr variabel. Dass bnAb die wenigen konservierten Stellen erkennen, gibt ihnen eine hohe Bedeutung in der Impfstoffentwicklung, da solche Antikörper alle auftretenden Subtypen von HIV-1 hemmen könnten. Weltweit arbeitet man angestrengt daran, solche bnAb durch eine Impfung mit einem modifizieren HIV-1 Hüllprotein hervorzurufen, um damit gegen die HIV-1 Infektion zu schützen. Leider ist das bis jetzt noch nicht gelungen. Ein Grund dafür ist, dass auch die Faktoren, die bestimmen, ob eine Person während der HIV-1 Infektion bnAb entwickelt, noch nicht vollständig bestimmt werden konnten. Insbesondere ist nicht bekannt, wie die Virusmerkmale dazu beitragen. Nicht jedes Virus hat vermutlich die gleiche Kapazität, eine bnAb Antwort hervorzurufen.

Hier setzt eine interdisziplinäre Studie der Forschungsgruppen um Roger Kouyos (Biomathematiker, USZ, UZH), Huldrych Günthard (Infektiologe, USZ, UZH) und Alexandra Trkola (Virologin, UZH) an. Die Forscherinnen und Forscher definierten zuerst eine grosse Kohorte potentieller HIV-1-Übertragungspaare innerhalb der Schweizerischen HIV-Kohorten-Studie (www.shcs.ch). Da bei einer Übertragung beide Partner durch fast idente Virusstämme infiziert sind, sollte so untersucht werden, wie ähnlich die Immunreaktion auf dieses Virus in verschiedenen Menschen ausfällt, und ob diese Reaktion erkennen lässt, ob sich der HIV-1-Stamm, mit dem jemand infiziert ist, auf die Art und Breite der Reaktion auswirkt.

 

Das Virus bringt seinen Feind selber mit

Um die Hypothese zu testen, wurden insgesamt 303 Übertragungspaare basierend auf der genetischen Ähnlichkeit ihrer HIV-Stämme definiert. Bei diesen Personen wurde dann die Fähigkeit der Antikörperreaktion untersucht, verschiedene HIV-1 Virusstämme zu neutralisieren und HIV Proteine zu binden. Die Forscher definierten dies als den «Antikörper-Fingerabdruck» des infizierenden Virus. Im Vergleich zeigten Übertragungspaare einen ähnlicheren Antikörper-Fingerabdruck als Paare, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Im Hinblick auf die Entwicklung eines Impfstoffes ist besonders das Neutralisationsverhalten interessant. Hier zeigte sich ein ähnlicher Neutralisierungsfingerabdruck bei Übertragungspaaren. Die Wissenschaftler konnten auf Grund der Daten schätzen, dass im Minimum 13% der Neutralisationsaktivität durch das infizierende Virus bestimmt werden. Das Virus und im Speziellen sein Hüllprotein, das die Antigene bereitstellt, an die die Antikörper binden, bestimmt also die Breite und Art der Immunantwort substanziell mit.

Gesucht: Einer gegen alle

Die Forschungsgruppe stellte weiter die Hypothese auf, dass einige wenige Virusstämme eine stark neutralisierende Immunantwort über Individuen hinweg hervorrufen könnten. Die viralen Stämme und Antigene, die diesem Effekt zugrunde liegen, wären Hauptkandidaten für die Impfstoffentwicklung. Das nächste Ziel war daher, Möglichkeiten zu schaffen, um geeignete Hüllproteine zu definieren, die sich durch die Eigenschaft auszeichnen, eine starke Neutralisationsantwort, im Idealfall eine bnAb Aktivität hervorzurufen. Diese Fähigkeit eines Virus, eine bnAb Aktivität hervorzurufen, definierte die Forschungsgruppe als bnAb imprinting und suchte in der Übertragungspaarstudie gezielt nach bnAb imprinter-Viren.

In der Tat fanden die Forschenden ein Übertragungspaar, bei dem beide Partner eine ausgesprochen breite und potente neutralisierende bnAb Antikörperantwort entwickelt hatten, die im Neutralisationsfingerabdruck ein praktisch identisches Muster lieferte. Mit dem Virus wurde hier offenbar auch seine Fähigkeit eine bnAb Antwort hervorzurufen übertragen. Genau das erhofft man sich von einem Impfstoff.

Die Resultate der Forschungsgruppe sind in mehrfacher Hinsicht hochspannend: Zum ersten Mal konnte der direkte Einfluss des Virus auf die Antikörperaktivität gezeigt werden. Dies zeigt auf, wie wichtig die Wahl des Virus ist, dessen Hüllprotein als Matrix für die Entwicklung eines Impfstoffes genommen wird. In derzeit laufenden, weiterführenden Studien sind die Forscher nun daran, das identifizierte bnAb imprinter-Virus zu charakterisieren und basierend auf dessen Hüllprotein einen Impfstoff zu entwickeln.

Tracing HIV-1 strains that imprint broadly neutralizing antibody responses. Nature.
https://doi.org/10.1038/s41586-018-0517-0